Hoffnung inmitten von Leid und Schmerz. Hoffnung inmitten von Trümmern. Hoffnung mitten im Tod. Hoffnung gewachsen aus Klage. – Jeremia hat den Untergang Jerusalems im Jahr 587 v. Chr. miterlebt. Er hat alles verloren. Er hadert und trauert. Sein Leid buchstabiert er in der Reihenfolge des hebräischen Alphabets in den ersten vier Klageliedern regelrecht durch. Klagen sozusagen von A bis Z. Es sind 51 Strophen der Trauer und des Klagens, um zur Gewissheit zu gelangen, dass Gottes Barmherzigkeit noch kein Ende hat und dass sie alle Morgen neu ist.
Manches ist auch dieser Tage zerbrochen und liegt in Trümmern. Bestimmt gehen mir Klagegebete dabei leichter von den Lippen. Trotzdem verstehe ich die Klagelieder als eine wunderbare Einladung, mir Zeit zu nehmen, das Verlorene zu beklagen, und meiner Trauer Raum zu geben. Ich muss mich nicht dafür schämen, dass meine Tränen fließen. Ich darf den Verlust beweinen, meine Verantwortung überdenken, mir auch Verfehltes eingestehen. Geduld und Vertrauen, auch von meinen Mitmenschen helfen mir dabei, das Tal des Verlustes zu durchwandern.
Die Verse, die dem Monatsspruch für den Oktober vorhergehen, zeigen deutlich, dass der Weg durch das Tal der Klage und der Trauer kein Umweg ist, sondern dass er notwendig ist, um eine hoffnungsvolle Haltung zu finden: „Der Gedanke an meine Not und Verlassenheit macht mich bitter und vergiftet mein Leben. Trotzdem muss ich ständig daran denken, und das wühlt mich bis ins Innerste auf. Deshalb will ich in mich gehen und meine Hoffnung auf den Herrn setzen.“ (V 19-21)
In schweren Phasen meines Lebens musste ich meine Trauer und Klage über Wochen und Monate hinweg durchbuchstabieren. Der Weg war mühsam und steinig. Und dann ganz plötzlich war da die Erleichterung und Gewissheit: Ich bin nicht allein. Gott begleitet und trägt mich. Er ist da, gestern, heute und morgen. Und die Hoffnung wuchs wieder: „Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß“.
Das Buch der Klagelieder erscheint mir plötzlich ganz praktisch angelegt. Warum sollte ich mir nicht auch ein Trauertagebuch anlegen, in dem ich meine Trauer und meine Klagen von A bis Z durchbuchstabiere? „A“ wie „Angst“ oder „Z“ wie „Zugeschnürte Kehle“? „B“ wie „Bis wann?“ oder „X“ wie „X-mal umsonst gewartet“? „C“ wie „Chaos in meinen Gedanken“ oder „K“ wie „Keine Energie mehr“. Ein persönliches Trauer- und Klage-ABC, das mir den Weg durch das Gedankenlabyrinth dieser Zeit erleichtern wird. Ein Trauer- und Klage-ABC, das ich allein oder in mit anderen schreiben kann. Und dann darf ich diese Worte Gott hinhalten. Ich darf ihm das offenbaren, was mir auf der Seele liegt. Ich darf eben auch alle Not und Qual vor Gott aussprechen; Gott hört mir zu. Und er will mir helfen. Er ist einfach da und hält mir seine offenen Arme hin. Er steht mir bei. Und wer weiß, sobald sich die Hoffnung in mir gefestigt hat und meine Füße mich wieder tragen, werde ich vielleicht ein Hoffnungs-ABC schreiben können!
Ihr Pfarrer Thomas Haenchen
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